Freitag, 6. Februar 2015

Scrambler? Ja, deshalb:


Ducati inszeniert um die neue Scrambler eine neuartige, aber überflüssige Marketingkampagne. Sie ist missverständlich, weil dieses Motorrad für sich selbst sprechen könnte.
Ducati Marketingwelt



Als die Caferacer kamen, das war ziemlich genau vor vor fünf Jahren im August, hatte es davor schon eine entscheidende Entwicklung gegeben, die eigentlich viel zukunftsweisender gewesen war.
Es hatten sich schon davor Menschen in Garagen gesetzt, meistens Bier dabei getrunken, um aus alten Motorrädern neue zu machen. Sie nahmen alte, weil die Designer und Entwickler von neuen Motorräder sich verrannt hatten (außer vielleicht Herr Massimo Tamburini). Dann ist aber etwas passiert, was nicht vorhersehbar war und ohne das es die Ducati Scrambler heute so wohl nicht geben würde. Und dann ist noch was passiert, und das führte zum größten Missverständnis der jüngeren Geschichte des Motorrads: falsche Bärte.

schlimm: Bärte sogar beim Skifahren.




Die, mit denen alles begann, waren meines Erachtens, die Wrenchmonkees. Sie waren die radikalsten, die innovativsten, die grenzendurchbrechensten Schrauber dieser Zeit. Sie verstanden es, altes Material cool zu machen. Sie schufen nicht nur Schrauberkisten, sie machten neues Design aus Geschichte. Sie nahmen einen Honda CB Four-Motor und setzten ihn in Szene, wie es noch niemand zuvor gemacht, und damit auch niemand zuvor gesehen hatte. Weder die alten Haudegen, noch die jungen Motorradleute. Heraus kam mein absolutes Meilenstein-Motorrad, die MONKEE #11, die Gorilla Punch.



Die Jungen Mopedfahrer fühlten sich zu diesem Zeitpunkt einer falschen Gruppe angehörig. Es gab nur noch ein paar davon. Schon Jahre zuvor hatte das Aussterben eingesetzt. Das Motorrad war schon lange nicht mehr interessant, die Szene schien nach dem Chopperboom um die Virago zu sterben. Die Supersportler hielten in dieser Zeit das Interesse noch wach, weil da technisch so dermaßen die Dinge nach vorne getrieben wurden, und in einem Tempo, wie man es sich noch einen Tag vor einer Neuentwicklung nicht vorstellen konnte. Und in dieser Zeit gab es dann Gott sei dank Menschen, die wussten wie diese Zeit in Worte zu fassen sein musste. Da war der Johnny Riegsinger, der aus dem Archivkeller vom Motorrad Magazin MO empor gekrochen war um wortgewaltig, wie es damals keiner tat, leidenschaftlich über Motorräder zu schreiben. Er erwürgte die Spießigkeit der Testerschreibe, die bis heute immer noch nachhallt und deren Erbe den Papier-Moped-Magazinen am Bein klebt wie Scheiße. Da war Thomas Kuttruf, der, wie kein anderer Motorradfahren konnte und darüber in einer Leidenschaft berichtete, dass man sich selbst im Cockpit auf der GSX 1000 R wähnte, die gerade 300 im Digitacho anzeigte. Und es gab den Rolf Henniges, der sich gerade wieder neu erfindet. Und es gibt den Typen wie Clemens Gleich, der dieses Erbe als einziger unter den Professionellen in dieser pulsierende Qualität weiter pflegt. Wenn auch sehr verrückt, was schnell belegt ist durch einen kleinen Youtupe-Google.


 















Das Motorrad war eigentlich tot. Die Firmen wussten nicht mehr was bauen nach Hayabusa, außer der GS.
Und das war recht und billig, aber öde. Die Wrenchmonkees haben uns gerettet. Doch statt aus dem alten Material wirklich etwas Neues entstehen zu lassen, hat sich die Szene entschieden nur Cafe Racer zu bauen. Eine Milliarden Gorilla Punch-Kopien sind ab da bis heute entstanden.
Aus der Sicht von damals betrachtet, war das für uns alle etwas, was die Generation der Ende 70er geborenen, niemals mitbekommen hatte. Und eigentlich war es das, wonach wir uns sehnten. Pures Motorradfahren. Unsere Sehnsüchte bildeten sich, als Ninjas noch Staubsaugerrohre auf dem Tank hatten und keine Traktionskontrollen und dann standen sie da: In meinem Fall Robert und Mark mit ihren komischen Kawasaki W und laberten irgendwas von Hotrod und zogen ihre Kämme aus der Tasche, um sich die Haar nach hinten zu kämmen. Verrückt. Ich kannte keinen Motorradfahrer mit Kamm in der Tasche.
Aber so war das damals, die alte Garde nahm statt Kopfwehtabletten um überhaupt nach einer Saufnacht aufs Motorrad zu kommen, Joggingschuhe mit auf den Motorradtripp, und die neue Garde nannte sich Surfazz, grundlos, hatte 48 PS-Motorräder, ohne Not, und sie hatten wieder Paracetamol dabei und für die war das selbstverständlich und ok, genauso wie die Sache mit dem Kamm. (Ich hab zwar immer noch keinen Kamm, bin mit Rob und Mark aber engstens befreundet.)
Wir haben dann den Surfazz-Cafe-Racer-Sprint am Glemseck 101 gemacht, irgendwie bis heute noch.
Die Dinge wurden auf den Kopf gestellt. Der Style war rau, neu, aber in Erinnerung an das, was das Cafe-Racen in England in der Zeit der Rocker und Rollerfaher ausmachte, nur dass unserer Rollerfahrer GS-Fahrer waren, mit denen man sich zwar nicht prügelte, aber über die man nur den Kopf schütteln konnte. Warnwestenfahrer hat man sie genannt. Heute gibt’s Flanellhemden mit Kevlar drin... wir nähren uns der Scrambler.
Im Moment, habe ich das Gefühl, ist sich jeder unsicher in seinem Style. Die Hipster haben sich unverfroren an jenem Lebensstil bedient, der unserer ist, dem der Motorradfahrer. Sie dachte: „Mahh, ich habe einen Bart, die auch, muss ich auch Motorradfahren.“ Pech für uns, aber vor allem Pech für sie, ich glaube, viele von denen sind dumm gestürzt.
Wären die Leute nicht so auf dieses Cafe-Raceing abgefahren, ich glaube die Motorradwelt hätte es heute schwerer. Vor allem die Industrie. Das Cafe-Racing hat den Blick geöffnet darauf, um was es geht. Nicht um Sicherheit, meistens nicht um Sekunden, es geht um fahren halt. Heute klingt es normal, damals wer man ´ne Pussy gewesen. Es geht um Fahren. Egal ob Enduro oder Gold Wing oder Virago oder Triumph Speed Tripple. Es geht nicht darum, dass eine Buell beim Beschleunigen gegen einen Speedtripple verkakte, damals, als Buells noch luftgekühlt waren. 
 

Auf der anderen Seite ging vielen dieser CR-Trend auf den Sack. Und zwar gewaltig. Sie wollten ihr gewohntes höher und schneller zurück und keine Menschen mit Bärten und bunten Gasgriffen sehen. Mit ein paar Mädchen auf Motorrädern konnte man sie ablenken, zum Beispiel mit Ben Parts Moto Guzzi und den Davida-Werbung-Tussis. Katrin hieß die Süßeste.
Jetzt eben, vor ein paar Wochen, wurde die Ducati Scrambler präsentiert und jetzt ist alles durcheinander, dabei ist genau sie das ordnende Element in diesem Kuddelmuddel. Aber nur Wenige verstehen es.
Ducati hat eines erkannt, besser als andere. Sie haben sich die Trends angeschaut, bemerkt, dass Flat Tracker und Scrambler im Rausch der Cafe Racer als Zweitdroge genutzt werden und haben sich in der eigenen Historie bedient. 50 Jahre ist es her, dass aus Bologna eine Scrambler kam. Ein sehr junges und sehr italienisches Team durfte diese Wiedergeburt inszenieren. Und schnell geisterte, zunächst noch leise, dann unerträglich laut, das Geschwätz vom Hipstermotorrad durch die Zeilen. Jeder der das Motorrad gut fand, wurde von dieser kalifornienverseuchten Presse diskreditiert. Widerlich. Sie hatten sich selbst ein Beinchen gestellt.

Sie haben sich allesamt einfangen lassen von dem kleinen Marketingteam, das um die Scrambler ein, in ihren Augen, eben zeitgemäßes Marketing aufgebaut hatte. Die Kommentatoren haben sich mokiert darüber, wie viel einfache Wechselteile da so im Angebot gäbe (Tankblenden, und Modeassescoires) und doch eh keiner schrauben könne, der sich so ein Hipster-Motorrad kaufe. Zugegeben, die meisten mussten zugeben, dass dieses Motorrad einen großen Charme auf sie auswirkte, da bei der Präsentation in Kalifornien, obwohl es geregnet hatte und sie sich in Gelbe Säcke kleiden mussten.
Aber im ganzen Trubel des Marketingwahns auf allen Seiten war da still und heimlich etwas ganz Zartes und Jungfräuliches passiert. Jemand hatte den Resetknopf gedrückt und keiner hat´s gemerkt.

















Eine Aura der Stille, die eines Anfangs war da entstanden. Wie damals, als die Kindliche Kaiserin einen Sandkorn in ihrer Hand hielt. Die Generation Baltasar Bux hat die Chance alles abzustreifen und dieses Sandkorn als das anzunehmen, was es schon immer ist, mit der Form eines Sandkorns, welche schon immer eine Form eines Sandkorn ist und die sich nicht ändert.

Bis auf dass es einen Zylinder mehr hat heute, dieses neu Motorrad, sehen ich keinen großen Unterschied zu der Urfom; zu dem Samen. Zu der Scrambler, die schon vor 50 Jahren dazu gedacht war ein bisschen zu fahren, mit hohem Lenker, ein bisschen durch den Dreck ihrer Zeit.



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pics::ducati, benpart, suzuki, gw, wrenchm.